In seiner Buchlesung stellte Herr Dr. Horst Böttge uns, den Geschichts-Leistungskursen der 11. und 12. Jahrgangsstufen des Johanneums, sein verfasstes Buch "Drangsaliert und dekoriert" vor. Darin beschreibt der Autor das Leben in der Zeit nach dem 2. Weltkrieg bzw. in den DDR-Jahren in unserer Region. Im Mittelpunkt seiner Schilderungen stehen dabei die Erlebnisse sowie das Schicksal seines Bruder Richard.
Das Leben von Richard Böttge wurde durch einen vermeintlich unbedenklichen Jugendstreich aus der Bahn geworfen: Er verzierte in der Berufsschule in Laubusch "ein Bild Lenins". Daraufhin wurde er durch die damaligen Behörden der Stasi und später dem NKWD übergeben und von einem sowjetischen Militärgericht zu zehn Jahren Arbeitslager verurteilt. Dies alles passierte nur, weil seine Freunde Spione der Stasi (Staatsicherheit) waren und ihn verraten haben. Er saß als 17jähriger Jugendlicher davon 3 Jahre seiner Strafe ab, er durfte die Haftanstalten auf der Bautzner Straße in Dresden, den "Roten Ochsen" in Halle sowie das "Gelbe Elend" in Bautzen für seinen unbedarften Streich "besuchen", aus einem Jugendstreich wurde eine politische Tat konstruiert.
Nach seiner Entlassung blieb er aber seiner Heimat treu und begann eine "Aufholjagt" der verpassten Zeit, besonders was seine Bildung betrifft. Später war er in Hoyerswerda ein angesehener Leiter eines wichtigen Betriebes, der für die Wärmeversorgung der Stadt verantwortlich war.
Ich persönlich finde es erschreckend, wie die Stasi Spione in Freundesgruppen integriert hat, um diese zu bespitzeln, ob sie politisch korrekt sind, und wie hart die DDR gegen kleine Verstöße vorging.vDies geschah alles nur aufgrund eines GEZEICHNETEN BILDES! aber jegliche Versuche der Eltern und vieler Mitmenschen, ihm zu helfen und ihn evtl. begnadigen zu lassen, scheiterten. Es ist Wahnsinn, einen Jungen, der so jung war, wegen eines bemalten Bildes von seinen Eltern wegzureißen und zu 10 Jahren Strafarbeit zu verurteilen.
Nach der Haftzeit und seinem Studium hat sich Richard in Hoyerswerda bei einem Wärmeversorgungsbetrieb in Hoyerswerda durch gute Arbeit in leitende Positionen hochgearbeitet, auch das war eine DDR-Wirklichkeit. Jedoch wurde er auch in dieser Zeit von der Stasi weiter kritisch beobachtet. Über ihn gab es circa 350 Seiten an Material. Nach dem Mauerfall fand Richard lange Zeit nicht die Kraft, seine Akten einzusehen. Ich kann mir vorstellen, dass es ihn viel Überwindung gekostet hat, sich dies alles erneut in Erinnerung zu rufen. Seit 2004 trat er dann regelmäßig als Zeitzeuge u. a. vor Schülergruppen auf.
Ich finde es bewundernswert, wie der heute 86jährige Dr. Horst Böttge uns Schülern in dieser Lesung den Alltag in der DDR und das Schicksal seines 2015 verstorbenen Bruders geschildert hat, er selbst hat mittlerweile über 60 Lesungen zum Thema gehalten und es ist bewundernswert mit wie viel Kraft und positiver Energie er den Vortrag gestaltet hat.
Wir danken Herrn Böttge für diese sehr lehrreiche Vorlesung und wünschen ihm weiterhin viel Gesundheit und würden uns freuen, ihn wieder im Johanneum begrüßen zu können.